Veranstaltungsrückblick DGSA-Jahrestagung 2018 Hamburg

gepostet am
28. Mai 2018
-
10:07

Community Organizing – Partizipation und Demokratie im Alltag

„Community Organizing – Partizipation und Demokratie im Alltag“ lautete der Titel eines der zahlreichen Panels auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit zum Thema „Demokratie und Soziale Arbeit“ am 27./28. April 2018 in Hamburg. Nachfolgend werden die einzelnen Beiträge des Panels dokumentiert.

Community Organizing – Partizipation und Demokratie im Alltag

Ziel von Community Organizing ist die Initiierung von handlungsmächtigen Zusammenschlüssen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auf lokaler Ebene bzw. im Stadtteil. Eine Demokratisierung des Alltagslebens geht damit einher. Hierbei werden insbesondere solche Personengruppen angesprochen, deren Interessen in Stadt(teil)entwicklungsprozessen eher wenig Berücksichtigung finden. Wie dieser Ansatz auch im Rahmen Sozialer Arbeit umgesetzt werden kann, wird sowohl auf theoretischer Ebene als auch anhand von zwei Praxisbeispielen (Stadtteilbüro Setterich Nord, Arbeit mit geflüchteten Menschen in Lüneburg) vorgestellt.

Lothar Stock: Community Organizing – gelebte Demokratie im Alltag

Lothar Stock CO_Demokratie_im_Alltag

Community Organizing (CO) wurde ab Ende der 1930er Jahre von Saul D. Alinsky in den Slums von Chicago – in Abgrenzung von dem seiner Meinung nach zu sehr bevormundenden Agieren der Settlement-Bewegung (z.B. Jane Addams mit ihrem Hull House) – entwickelt. Die von ihm in der Folgezeit initiierten Bürgerorganisationen (z.B. Back of the Yards Neighborhood Council) verstand Alinsky als basisdemokratisches Netzwerk zur Veränderung von Machtverhältnissen im Hinblick auf eine Demokratisierung des Alltagslebens. Er versuchte damit all denjenigen eine Stimme zu geben, die in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, sei es auf lokaler, regionaler oder aber auch auf nationaler Ebene, im Allgemeinen meist ungehört bleiben. CO baut dabei auf demokratische Strukturen und Entscheidungsprozesse, auf die Vielfalt von unterschiedlichen Interessenlagen, aber auch gleichsam auf das jeweils spezifische Eigeninteresse der Individuen sowie auf die Macht der Beziehungen von Bürgerinnen und Bürger aus ganz unterschiedlichen Kulturen.

In der jüngsten Vergangenheit findet CO auch in Deutschland eine zunehmende Beachtung, z.B. innerhalb der Gewerkschaften, bei Parteien oder in Kirchengemeinden. In der Sozialen Arbeit, insbesondere in der Gemeinwesenarbeit, lässt sich jedoch schon länger auf unterschiedliche Handlungsansätze aus dem CO zurückblicken. Auch hier zielt das Instrumentarium einerseits darauf ab, Artikulations- und Handlungsmacht denjenigen Stadt(teil)bewohnerinnen und -bewohnern zu ermöglichen, deren Interessen in Stadt(teil)entwicklungsprozessen ansonsten nur wenig Beachtung finden. Andererseits geht es aber auch insbesondere darum, handlungsfähige Interessenvertretungen derselben, vorwiegend auf kommunaler Ebene, nachhaltig zu initiieren. Wie dies im Rahmen einer von jeweils unterschiedlichen Geldgebern finanziell abhängigen Sozialen Arbeit erfolgen kann, welche Handlungsspielräume hierfür erforderlich sind und wo die vermeintlichen Grenzen zu sehen sind, soll im Rahmen des Vortrags diskutiert werden.

 

Ute Fischer: Bewohnerinnen und Bewohner eines sozial benachteiligten Stadtteils werden zu Akteuren im Stadtteilentwicklungsprozess

28.04.2018 DGSA Tagung DRK Stadtteilbüro Ute Fischer [Kompatibilitätsmodus]

Am Beispiel der Arbeit als Stadtteilmanagerin des Deutschen Roten Kreuzes in einem Soziale Stadt Gebiet in Baesweiler (NRW) werden in dem Vortrag zwei verschiedene Ebenen der Anwendung von Elementen aus dem Community Organizing (CO) beschrieben.

Es wird dargestellt, wie unter Rückgriff auf das Handlungskonzept CO die Aktivierung von Bewohner_innen zur Mitwirkung im Stadtteil gefördert wird. Die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen und das Vorgehen werden erläutert. Dabei wird deutlich, wie durch Kooperationen und nachbarschaftliche Aktivitäten neue Angebote entstehen, die von den verschiedenen Einzelpersonen, Gruppen und „Milieus“ des Stadtteils spürbar wahrgenommen werden und welche Wirkungen sich hieraus – auch bezogen auf die Gesamtstadt – ergeben. Insbesondere auch sonst in der Stadtteilentwicklung nicht repräsentierte Gruppen, beispielsweise marokkanische Migrant_innen der 1. Generation, wurden mit dem Vorgehen erreicht.

Im zweiten Beispiel wird auf einer anderen Ebene verdeutlicht, wie im Stadtteil mit einem eher klassischen CO-Vorgehen, eine Bewohnerorganisation aufgebaut wurde und welche positiven Effekte dies nach sich zieht: Die Mitarbeiter_innen der Kommune können passgenauer und nachhaltiger planen sowie gemeinsam mit den von der Planung betroffenen Personen spürbare Verbesserungen erreichen, die in den Gebieten vorhandenen Ressourcen werden genutzt und sinnvoll eingesetzt, die Zufriedenheit sowie Identifikation der Bewohner_innen mit ihrer Nachbarschaft, ihrem Stadtteil und mit ihrer Stadt nimmt zu. In sozial benachteiligten Stadtteilen werden zudem Ansprechpartner_innen gefunden, die Konflikte vermeiden helfen, oder in Konfliktsituationen, z.B. zwischen Kommune und Nachbarschaft, vermitteln können. Die Bewohner_innen finden Mut und Gelegenheiten miteinander zu sprechen, nachbarschaftliche Beziehungen zu pflegen, sich beruflich weiterzuentwickeln bzw. bürgerschaftlich zu engagieren. Demokratie wird vor Ort gelebt.

 

Katja Heidmeier: Community Organizing in der Arbeit mit geflüchteten Menschen in Lüneburg

Präsentation Katja Heidmeier

Im Juli 2016 startete der Diakonieverband in Lüneburg seine Arbeit mit Community Organizing (CO). Mit diesem Ansatz sollte herausgefunden werden, wie sich die aktuelle Lebenssituation von geflüchteten Menschen in Stadt und Landkreis gestaltet, was sich die Menschen wünschen, wo ihre Probleme liegen. Ziel ist es, geflüchteten Menschen eine eigene Stimme zu geben und diese dabei zu unterstützen, sich aktiv an ihrer Integration zu beteiligen. Die Partizipation von geflüchteten Menschen steht damit im Vordergrund.

Ausgangspunkt waren zahlreiche Gespräche mit geflüchteten Menschen, weiterhin fanden Interviews mit unterschiedlichen Institutionen (Fachkräfte aus der Flüchtlingsarbeit, Bildungsträger, Moscheen, Ehrenamtliche, etc.) statt. Ende Februar 2017 wurde die erste CO-Versammlung durchgeführt, zu der 116 Personen (2/3 geflüchtete Menschen, 1/3 Fachkräfte/Ehrenamtliche) in den Lüneburger Wasserturm kamen und aus den zuvor herausgearbeiteten sieben Themenkomplexen drei Schwerpunkte zur weiteren Bearbeitung wählten. Dies sind die Bereiche Bürokratie/Warten im Asylverfahren, Ausbildung/Arbeit sowie Wohnung (später kam noch Sprache als vierter Themenschwerpunkt hinzu).

Ab März 2017 treffen sich wöchentlich Arbeitsgruppen, um zu den drei Themen zu recherchieren sowie diese zu vertiefen. Hieraus entstand eine Kerngruppe von zehn geflüchteten Akademikern, die in der Folge dann auch die Leitung der einzelnen Gruppen übernahmen. Die Ergebnisse der Arbeit konnten Mitte Juni bei einer zweiten CO Versammlung mit wiederum über 100 Teilnehmern der Öffentlichkeit sowie Vertretern der Stadt- und Landkreisverwaltung präsentiert werden. Die eingeladenen Verwaltungsvertreter sprachen bereits während der Versammlung ihre Kooperationsbereitschaft aus und nach der Sommerpause fanden erste konkretere Gespräche statt. Darüber hinaus werden weitere Kontakte zu verschiedenen Ansprechpartnern (Ausländerbehörde, VHS, etc.) aufgebaut sowie die politische Fortbildung der Kerngruppe organisiert. Im Vortrag werden die Potentiale, Herausforderungen sowie erforderlichen Rahmenbedingungen von CO zur Partizipation von geflüchteten Menschen herausgestellt.