Dissertation: Theoretische und empirische Grundlagen des Community Organizing bei Saul D. Alinsky (1909-1972)
Die Geschichte des prominenten amerikanischen Bürgerrechtlers Saul D. Alinsky beginnt während der Weltwirtschaftskrise in Chicago. Zunächst arbeitete er als Soziologe und Kriminologe an der Chicago School of Sociology und erforschte das „organisierte Verbrechen“ in den Gangsterszenen um Al Capone. Dann wurde er Organizer beim neuen Gewerkschaftsverbund CIO. Schließlich war er Berater der Katholischen Erzdiözese und protestantischer Kirchen in Chicago. Er war maßgeblich daran beteiligt, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in Chicago den Weg zu bereiten. Er gründete zahlreiche Bürgerorganisationen, bildete Community Organizer aus und organisierte Verbraucher und Kleinaktionäre.
Die gesamte Dissertation steht hier zum Download zur Verfügung.
Saul Alinsky: Der Krieg gegen die Armut
„Ich hörte, wie eine laute Stimme vom Weißen Haus verkündete: Nun ist endlich die „Great Society“ zu den Menschen gekommen. Sie sollen anständig und in Würde wohnen. Die „Great Society“ wird die Armut hinwegwischen; dem Krieg ein Ende bereiten, und auch der Diskriminierung und dem Mangel an medizinischer Versorgung und der Arbeitslosigkeit; nun, da die alte Ordnung vorüber ist.`“´
Three Alinskys
Introduction: Difficulties in Understanding Alinsky
At first, I would like to share some thoughts concerning the word tradition, before I go on to present my findings on Alinsky. Tradition could be defined as the passing on of knowledge and experience to others. Although Alinsky has written and reported basic findings on Community Organizing, I would not like to see him as a starting point of whatever tradition. This would deeply miss his intentions. Much of what Alinsky has said or written on Community Organizing was not new at his time. I do not want to say that Alinsky brought nothing new, however. But I would like to claim that Alinsky can only be understood adequately when one sees him as part of a chain within which something like tradition was passed on.
One can say that Alinsky was rooted very strongly in the Chicago School of Urban Sociology and that he learned a lot from his teachers. Furthermore, his work was subject and is subject to the interpretations of his co-workers , colleagues, trainees and students, who brought in their own views and lost others. This makes Alinsky part of a chain that we can define rather precisely. The Alinsky tradition can in no way be understood without references to his teachers and his trainees. Doing justice to the work of Saul D. Alinsky we must regard his teachers and famous sociologists Robert E. Park and Ernest W. Burgess. Also Oskar L. Lewis, the famous labor union leader, has to be mentioned. We also have to name Edward T. Chambers, one of Alinsky’s trainees and the present director of the Industrial Areas Foundation.
Occasionally one has to protect the teachers from their readers and trainees. This is not only true concerning Alinsky’s German readers, but also his American trainees. Last but not least we have to protect Alinsky’s teachers from Alinsky himself.
Community Organizing and the Alinsky Tradition in Germany
Introduction
Between 1939 and 1971 Saul D. Alinsky founded several independent citizen organizations in the United States that achieved sustainable improvements of living conditions in their neighborhoods. He did this by the means of the Industrial Areas Foundation, his institute of adult education, which provided special training for potential Community leaders.
The Back-of-the-Yards Neighborhood Council was the first citizens’ or people’s organization in 1939. Parishes, Unions and all sorts of organizations that existed at that time in the neighborhood-district back of the stockyards came together “to work out their own destiny”. The Back-of-the-Yards Council was the starting point of Alinsky’s career as a Community Organizer and a milestone in the history of Community Work. Alinsky was probably the first who tried to support the principle of self-organization in immigrant neighborhoods on a rational and scientific basis. Therefore he used concepts developed at the Chicago School of Sociology.
Today many people’s organizations and training institutes in the USA acknowledge to be influenced by the findings and techniques of Saul D. Alinsky. In Germany he is seen as one of the “Founding Fathers” of Community Work. This paper takes a look at different views we had in Germany of the topic of Community Work after World War II. It also shows what difficulties had to be solved.
I try to argue for more intensive research on the Alinsky approach in Germany and for an adequate recognition of his work.
Broad-Based Organizing in Germany?
Die Fragen zur Übertragbarkeit US-Amerikanischer Organisationsmethoden, lassen mich insbesondere vor dem Hintergrund des schrumfenden Sozialstaates in Deutschland nicht mehr los. Hier geht es insbesondere um sogenanntes Broad-Based-Organizing, also der Organisation der Organisationen, oder zumindest um deren Kooperation im Hinblick auf ein gemeinsam erkanntes Ziel.
Mit dem Stichwort vom „schrumpfenden Sozialstaat“ wäre ich bereits bei einer ersten Unterscheidung angelangt, die bei Übertragungsversuchen zu berücksichtigen ist. Es gab und es gibt in Deutschland eine soziale Sicherung, die in den Vereinigten Staaten so niemals erreicht worden ist. Was dort angestrebt wird, droht hier verloren zu gehen. Es gibt hier einen Gewerkschaftsbund, es gibt Pflichtversicherungen, Mindestlöhne und es gibt halbstaatliche und nichtstaatliche Organisationen, die selbstverwaltet und bisher noch im Sozialgesetzbuch verankert sind.
Saul Alinskys Impulse
foco-Rundbrief 2003
Alinsky hat die Grundlage für das geschaffen, was wir heute Community Organizing nennen. Wir können davon ausgehen, das auch er selbst davon ausgegangen ist, dass der Erfolg seiner Arbeit einen Durchbruch, etwas Neues geschaffen hat. Warum hätte er sonst sein erstes Buch „Reveille for Radicals“ genannt? Reveille kommt aus der französischen Militärsprache und bedeutet „Aufwachen!“. Die Reveille ist das morgendliche Wecksignal für die Truppen, die anders als die Offiziere, keinen eigenen Wecker hatten.
Alinsky verstand das, was ihm mit seinem Back-of-the-Yards Projekt gelungen ist, als Durchbruch und er wollte es auch von anderen als Durchbruch verstanden wissen.
Im Back-of-the-Yards Projekt ist es gelungen, die wichtigen, lokalen Machtfaktoren zu identifizieren und zweitens, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen
Community Organizing, Community Developement und FOCO
Als ich vor Jahren auf FOCO (Forum für Community Organizing) traf, ahnte ich ja noch nicht, was auf mich zukommen würde. Im Studium lernte ich Gemeinwesenarbeit und musste Gemeinwesenarbeit als „Prinzip“ begreifen. Das ist bis heute für viele logisch. Erfahrungen in erfolgreichen Gemeinwesenarbeitsprojekten zu sammeln war schon schwieriger. Aus Prinzip versuchte ich deshalb, meine spätere Tätigkeit in der Obdachlosenhilfe weiterhin als Arbeit im und am Gemeinwesen zu sehen. Dies änderte sich auf den ersten Community Organizing Trainings, die FOCO im Burkardthaus in Gelnhausen organisierte. Vor dem ersten Training machten sich die amerikanischen Trainer in den verschiedenen deutschen Gemeinwesenarbeitsprojekten kundig und überraschten uns mit der Botschaft, dass nach amerikanischem Vertändnis „Organizing“ und „Sozialarbeit“ zwei grundverschiedene Sachen sind. Man kann sogar fast sagen, dass sich Community Organizing und Sozialarbeit gegenseitig ausschliessen. Die eiserne Regel „Tue nie etwas für andere was sie selbst tun können“ wird in der sozialen Arbeit nicht stringent durchgehalten. Zwar ist Sozialarbeit immer auch Hilfe zur Selbsthilfe, bleibt aber per definition Hilfe, Dienstleistung, Service für Menschen, die sich selbst nicht helfen können.
Den Ärger wund reiben!
Der Organizer muß als Agitator fähig sein, die Menschen dazu zu bringen, sich zu bewegen, teilzunehmen, sich zu entwickeln, und ihnen die Macht aufgeben die vorherrschenden Muster zu durchbrechen und zu verändern.