Larry McNeil: Die sanfte Kunst des Organisierens

Die Industriel Area Foundation baut in den USA überall leistungsstarke Organisationen auf, die auf der Grundlage des Konzepts und der Praxis der „Macht der Beziehungen” (relational power) arbeiten. Im Gegensatz zu einseitiger Macht, deren einziger Zweck ein Nullsummenspiel ist, nämlich die Position derer, die an der Spitze sind, auf Kosten derer die an der Basis sind, zu festigen, besagt das Konzept der Beziehungsmacht, daß wir alle Macht erhalten, wenn wir sie demokratisch mit möglichst vielen Leuten teilen. In der Tat können die größeren Gegenwartsprobleme nur in Angriff genommen werden, wenn durch die Stärkung der beteiligten Institutionen genug gemeinsame Macht entsteht.

Das Instrument, welches die IAF für die Entwicklung gemeinsamer Macht einsetzt, ist die Entwicklung einer Organisation auf breiter Basis (broad-based-organizing), mithin einer Organisation von Organisationen, deren Mitglieder in der Regel Kirchen, Synagogen, Gewerkschaften und Schulen sind, die alle ihre eigene Macht und ihre eigenen Probleme einbringen. Meistens sind sie auf der Grundlage eines einseitigen, hierarchischen Verständnisses von Macht organisiert. Eine Tatsache springt bei allen Analysen der letzten 55 Jahre der Organisationsarbeit der IAF ins Auge: Die Organisationen sind am stärksten. die sowohl innerhalb ihrer Mitgliedergruppierungen als auch in der übergeordneten Organisation eine Kultur der Beziehungen aufgebaut haben. Auch die Kehrseite ist wahr. Die Organisationen mit den größten Schwierigkeiten – kleine Anzahl an Einheiten, geringe Eigenbeteiligung, sich durchwurstelnde Gremien, abgehobene Führungskräfte – sind diejenigen, die ihr Heil in Aktionismus suchen, anstatt die Organisationskultur ihrer Mitgliedereinheiten zu verändern. Solche Organisationen sind zwar in der Lage, Quoten zu erzielen, Erfolge zu erringen, die Presse zu manipulieren, aber sie werden niemals die tiefste Ebene organisatorischen und persönlichen Eigeninteresses erreichen, niemals das große Reservoir an Begabungen und Talenten erreichen. Deswegen werden sie kopflastig, brüchig und mager.

Dieses Papier vertritt den Standpunkt, daß sich die stärksten Organisationen auf die sanften Künste des Organisierens konzentrieren. Der größte und wichtigste Teil der Organisationsarbeit wird in den Medien nie erwähnt und von unseren Gegner und unseren Verbündeten nicht verstanden. Was sie meist nur sehen sind die harter Künste: Anwerbung, besonders herausgestellte Aktionen, diszipliniert ablaufende Versammlungen, Mitgliedsbeiträge, sorgfältig ausgearbeitete Strategien, punktuelle Erfolge, geschickter Einsatz politischer Hebel.

Die sanften Künste werden häufiger angewandt, dringen tiefer ein und sind schwer zu quantifizieren. Ich konzentriere mich auf vier von ihnen- Zuhören, Einfühlen, Mitdenken und „Rituale”.

Larry McNeil ist West Coast Direktor, Industrial Area Foundation (IAF), USA

Übersetzung: Karin Kattmann und Peter Szynka ©12.6.95